Beirut -Reisetagebuch

 

Frau und Soldat vor Louis Vuitton ShopDie Reaktion war immer die gleiche: Erzählte ich, mein nächstes Ziel sei Beirut, kräuselt sich die Stirn und Augenbrauen gehen nach oben. Nicht zu Unrecht, in Beirut war Bürgerkrieg bis 1990, 2005 wurde Premierminister Rafik Hariri ermordet  und im Sommer 2006 fielen israelische Bomben auf den südliche Libanon mit 1000 Opfern unter der Zivilbevölkerung. Kollegen und Freunde indes, die im letzten Jahr in Beirut waren, kamen begeistert zurück. Hoher Lebensstandard, gefühlte Sicherheit, das alte Zentrum nach dem Bürgerkrieg fein restauriert, viel Lebenslust, Partycity, so die Kommentare.

Inzwischen bin ich zwei Tage vor Ort und kann das bestätigen. In Downtown stehen nur noch vereinzelt zerbombte Häuser. Stattdessen  elegante Gebäude aus goldgelbem Sandstein, aufgeputzt  mit französisch- ottomanischen Schmuckelementen an den Fassaden. Hübsch anzusehen,  kleine Gassen dazwischen und jede Menge Nobelboutiquen darin. Auch im Souk, der jetzt weit davon entfernt ist unser nostalgisches Klischee von einem rummeligen Basar zu bedienen. Alles sehr chic, penibel sauber, aber ohne orientalischen Charme. Rund um den Place d´Etoile reihen sich im Schulterschluss Cafés und Restaurants, darüber Büros. Wahrscheinlich war hier früher deutlich mehr los. Es fehlt an Seele wie das bei Neubau-Komplexen meist der Fall ist. Die alten Bewohner sind nicht mehr, die neuen müssen reinwachsen. Die abendlichen Besucher, überwiegend Einheimische scheinen auch wirklich auf  Besuch zu sein. Man sonnt sich sozusagen zwischen den schönen Bauwerken, zieht an Wasserpfeifen auf den attraktiven Terrassen, aber fühlt sich nicht wie im Wohnzimmer der Stadt. So jedenfalls mein Eindruck.Durchblick vom Souk zur Rue Allenby

Auf Straßen, die die Fußgängerzonen kreuzen, ist samstags Abend Cruising angesagt. Luxuskarossen im stop and go Verkehr, die Fenster runter, die Bässe dröhnen.  Gegen 22.00 hat man sich auf das Restaurant geeinigt. Jetzt ist kaum noch ein Tisch zu bekommen. Wir gehen in „Karam“, Monsieur George platziert uns an den letzten freien Tisch, der Kellner klopft nervös mit dem Kuli auf die Stuhllehne als wir uns nicht schnell entscheiden können, was essen.   
Mit dem libanesischen Essen ist das so eine Sache. Erstens kenne ich die Namen der Gerichte noch nicht bzw. weiß nicht, was sich dahinter verbirgt. Und schlimmer noch, ich habe eine vage Ahnung, dass die Portionen sehr groß sind. Denn wie in arabischen Ländern Usus geht man erstens mit größerer Gruppe zum Essen und bestellt zweitens sowohl Vor- als auch Hauptgerichte zum Teilen. Wir ordern Tabouleh und Hommos als Starter, Auberginen&Lamm Kebab sowie Schlaschlik mit Huhn als Hauptgericht. Jedes Gericht schmeckt  köstlich, alles mit frischen Produkten zubereitet, auf den Punkt gegart und gut abgeschmeckt. Aber…  wir hätten damit leicht vier weitere Personen verköstigen können.
Was tun also, wenn man allein oder zu zweit reist und trotzdem so viel als möglich probieren will? Wer über ein großes Budget verfügt, bestellt verschiedene Mezze, stippt hier und dort hinein und lässt das meiste zurückgehen. So machen es die reichen Libanesen. Oder man bestellt nur zwei oder drei Mezze und kein Hauptgericht. Oder sucht in jedem Restaurant mit traditioneller libanesischer Küche immer wieder andere Mezze aus. In der Regel bietet nämlich jedes Lokal dieserart mehr oder weniger das gleiche.

2. Tag
Wir sind im Hotel Four Seasons abgestiegen, ein Nobelhochhaus mit 120 Zimmern. Großer Balkon, toller Blick – allerdings noch ist nicht alles fertig. Gegenüber wird  am Yachtclub gebaut, daneben eine riesige Freifläche mit viel Sand. Darauf entsteht ein Park am Meer. In zwölf Monaten wird alles fertig sein, sagt Stefan Simkovics, General Manager des Hotels zuversichtlich. Bis dahin muss man mit Baulärm und Staub rechnen. Womit das Four Seasons nicht allein steht. Einige Dutzend Baukräne überragen das Zentrum und die urbanisierten Hügel darüber hinaus. Auf manche geht´s steil bergauf. Und man wundert sich wie es die Damen auf ihren Stilettos unfallfrei nach oben bzw. unten schaffen.

High Heels mit Halbedelsteinen

High Heels gehören in Beirut zur Standardausrüstung junger und jung gebliebener Damen. Wobei die Absicht auf ewig jung zu bleiben gern mit Pflastern im Gesicht betont wird. Hier zieht man sich nicht ins dunkle Kämmerlein zurück, um die Narben der Schönheits OP heimlich ausheilen zu lassen. Hier zeigt man, was Sache ist und  hat gleich ein Gesprächsthema  beim Kaffee in der feudalen Hotellobby.

Sonntag ist ein ruhiger Tag in Beirut. Jedenfalls bis zum mittleren Nachmittag. Dann macht sich die halbe Stadt auf den Weg – die andere Hälfte schläft noch die Folgen des Nachtlebens aus – zur Corniche, die Vergnügungsmeile des kleinen Mannes. Sie zieht sich gut eineinhalb Spazierstunden entlang der westlichen Ausbeulung von Beirut am Mittelmeer entlang. Ein relative breite Promenade, daneben die  vier bis sechsspurige Avenue de Paris und Avenue de Général de Gaulle. Die Fortbewegungsgeschwindigkeit auf allen Wegen ist in etwa gleich. Man will hier nicht schnell sein, lieber mal den Motor kurz aufheulen lassen, als ob man von 0 auf 100 in 2,5 Sekunden beschleunigen könnte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Der Fahrer dürfte verzweifelt sein, keiner guckt, dafür gibt´s zu viele von der Sorte. Auf dem Bürgersteig wird gebummelt, junge Frauen führen ihre neuesten Kopftücher und High Heels aus, Männer lehnen lässig an der Promenadenreling überm Meer, ziehen wechselweise an Wasserpfeife und Zigarette. Das eine, was man mag, das andere was cooler aussieht. Auf größeren Freiflächen hocken Frauen auf dem Boden, nuckeln ebenfalls an Wasserpfeifen, während die Kids  umeinander toben. Terrasse beim SonnenuntergangWer es sich leisten kann, bezieht zum Sonnenuntergang das Korbgestühl der Lounge-Terrasse im Grand Café. Den tollen Blick über Meer- und Strand gibt´s kostenlos dazu.  Apropos Strand. Gebadet wird schon jetzt im März, wo man gerade der Frühling vor der Tür steht. Das Wasser ist noch empfindlich kalt. Ein Grund wohl, warum sich nur junge Männer darin wohlfühlen. Frauen, in diesem Viertel überwiegend moslemische, dürften höchstens im Hochsommer Abkühlung suchen. Eine Spezialität im Grand Café – neben der obligatorischen Wasserpfeife-  sind mit Chili und Knoblauch gebackene kleine Kartoffeln. Und hausgemachte Limonade.

3. Tag
Frühstück, Etagère mit libanesischen SpezialitätenWir genießen ausgiebig das Frühstück im Four Seasons. Am Tisch serviert wird eine Etagère mit arabischem Brot, verschiedenen lokalen Käse, geschnittene Tomaten, Gurken und Minze sowie Labneh, ein gewürzter Frischkäse. Westlich zugeschnitten das kleine Buffet mit verschiedenen Müslimischungen, frisch gebackenen Brotsorten und Croissants, hausgemachten Konfitüren und mehr. Köstlich auch Eggs Benedict von der Karte mit warmen Speisen.
Mit Taxifahrern muss man erst mal den Preis aushandeln. Vor einem Luxushotel stehend hat man schlechte Karten.  Grundsätzlich werden erst mal 10.000 libanesische Pfund oder 10 Dollar verlangt. Innerhalb der Innenstadt kostet die Fahrt aber nie mehr als 3000. Als Fremder kommt man selten unter 5000 weg. Sind aber auch nur 2,50 Euro. Dafür  wird einem ganz schön was geboten. Rechts links Kombinationen im Michael Schuhmacher Stil, wechseln von der rechten auf die linke Spur und zurück, wenn man 50 Meter später abbiegen will, Atomstart an der Kreuzung und nie, nie bei rot stehen bleiben. Was erst den Adrenalinspiegel in die Höhe puscht und dann Glücksgefühle tanzen lässt, wenn man es ohne Kollision geschafft hat.

Marmor Sarkophag mit betrunkenen LiebesgötternDas nach dem Krieg  restaurierte Nationalmuseum birgt eine reizvolle  Sammlung wertvoller Funde aus 9000 Jahren. Unbedingt sehenswert, wer sich einen Überblick über die Antike des Landes verschaffen will. Phönizische, griechische, römische und byzantinische Artifakte; Statuen, Sarkophage, Gold- und Silberschmuck, Elfenbeinschnitzereien.  Spaß macht der marmorne Sarkophag eines Paares aus dem 2. Jahrhundert. Seine massiven Wände sind mit fein gemeißelten Szenen von pummeligen Liebesgöttern verziert. Alle betrunken. Einer kotzt  ins Becken, ein anderer hängt weinselig an der Schulter des Kollegen, keiner kann sein Instrument mehr richtig halten.

Abends wird uns der Mietwagen ins Hotel gebracht. Der Preis ist klein – 28 $ am Tag inkl. Versicherung, das Auto auch, Hyundai Atos. Die richtige Wahl, um sich zügig durch den Verkehr zu schlängeln und  einen Parkplatz zu finden. Das versuchen wir gleich auf der Rue Gouraud im Viertel Gemmayzeh, eine der Partymeilen in Beirut. Wir haben Glück, finden einen ausgewiesenen Parkplatz direkt vorm Lokal. Der Doorman sieht das anderes. „No parking here“! Ich zeige auf das Schild mit dem großen P neben unserem Auto. Ein Türsteher Helfer greift ein. „You see“, gestikuliert er, „ 9am to 5pm pay“. Eben, jetzt kostet es nichts mehr bis morgen früh. Das ist meine Logik, der Türsteher hat eine andere. No pay, no parking. Womit er zwischen 9-17 Uhr Recht hätte, aber nicht jetzt um 21.30. Mein Einwand, wir wollen in seinem Lokal speisen, hilft nur bedingt. „No problem, but give me the key.  I park the car“. Nun will man erstens einen Mietwagen nicht in fremde Hände geben, zweitens stehen wir ja bereits perfekt. Der Diskussion leid, verlassen wir die Stätte und kehren in eine Bar nebenan ein. Etwas mulmig im Bauch, wissen wir ja nicht, ob das inoffizielle Parkverbot mit einem Messer im Reifen geahndet wird. Es dauert eine Weile bis wir Beiruts nächtliches Parksystem durchschaut haben.  Valet Parking heißt es. Selbsternannte Parkplatzwächter „borgen“ sich abends die von der Stadt ausgewiesenen Parkplätze aus. Autofahrer überreichen ihnen  vor dem anvisierten Lokal den Schlüssel und die Karosse wird geparkt. Das bringt gutes Trinkgeld und den Parkern die beneidenswerte Gelegenheit einen  100.000 Euro Wagen zu steuern. Dazu muss man wissen: Gegen die Reihung von Luxuslimousinen in der Rue Gouraud nimmt sich die Freitag abendliche Schlange vor der Sylter Autoverladung in Niebüll geradezu ärmlich aus.

Fortsetzung folgt

römisches Säulenportal vor Nationalmuseum

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