Winter in Gstaad

Es gibt Wintersportorte, bei denen die Erwähnung des  Namens bereits Assoziationen von Glitzer und Glamour auslöst. Gstaad ist so ein Ort. Da tauchen Juwelen behängte Damen in Zobel oder Wildkatze vor dem geistigen Auge auf, elitäre Clubs mit Champagner Gelagen und Luxuskarossen, die sich Stoßstange an Stoßstange durch das Zentrum schieben. Nächster Gedanke: Wenn man nicht selbst zum Kreise der extrem gut Betuchten gehört, wird man im illusteren Reigen kaum mitspielen können. Was das gefühlte Vergnügen im Schnee wohlmöglich deutlich verringert. Besser also, woanders hin und unter seinesgleichen. Deswegen vorab schon mal das: Vorurteil und Realität sind in Gstaad zwei verschiedene Paar Schuhe.

Sonnenbad im Schnee mit Fernblick auf die Berge„Come up, slow down“, ist das Motto, mit dem das lokale Touristenamt wirbt. Es könnte in der Schmalspurbahn erfunden worden sein, die das Saanenland mit der restlichen Schweiz verbindet. Der Zug windet sich derart behände von Zweisimmen über einen Pass ins Hochtal hinunter, dass man zwar die Orientierung nach Himmelrichtungen verliert, dafür aber genügend Zeit hat, die herrliche Bergszenerie  mit schroffen Gipfeln, verschneiten Wäldern und breiten  Pisten zu genießen. Auf der kurvigen Landstraße konzentriert man sich indes besser auf den Verkehr. Er wird übrigens so geschickt und zum Teil im Tunnel um Gstaad herumgeleitet, dass man vom historischen Ortskern erst mal nichts sieht. Um so größer die Überraschung beim Bummel über die Promenade.  Dabei entpuppt das Nobeldorf als eines der reizvollsten im gesamten Alpengebiet.

Prächtige  Holzhäuser mit geschnitzten und gemalten Verzierungen säumen die autofreie Hauptstraße und Gassen. Manche mehr als hundert Jahre alt, neuere in traditioneller Chalet-Bauweise angeglichen. Kein charmfreier Betonkasten stört die Optik, stattdessen kommt Wohlgefühl angesichts architektonischer Harmonie auf. Schön, dass die Stadtväter vor zehn Jahren auf  Ruhe gesetzt haben,  anstatt auf abgasschwangeres Trubelambiente wie in anderen berühmten Skiorten. Die Reichen und Schönen, die hier zweifelsohne den Promifaktor hochjagen, danken es mit ihrer Anwesenheit überwiegend im März. Weswegen sich dieser Monat als Hochsaison eingependelt hat. Und das hat nicht zuletzt zur Folge, das es zu anderen Zeiten angenehm unaufgeregt zugeht. Okay, Roman Polanski hat in den letzten Monaten für Reporterrummel gesorgt, aber das gibt sich wieder.

Wer hätte beispielsweise gedacht im Februar amerikanische Verhältnisse vorzufinden. Soll heißen, trotz super Schnee und blauem Himmel sind die gepflegten Pisten genauso spärlich frequentiert wie in Aspen oder Jackson Hole. Wir fuhren vormittags die sieben Kilometer lange Traumabfahrt vom La Videmanette hinunter nach Rougemont  drei mal hintereinander ohne jemandem zu begegnen. Auch nachmittags sind kaum Skischulen in Sicht, die wie anderenorts in langen Schlangenlinien die Hänge queren, und keine wilden Snowboard Trupps, die tollkühn über die Pisten rasen. Und abends fanden wir sogar in den feinsten Restaurants ohne Reservierung  Platz. Wie bei Robert Spaeth, Gault & Millau Koch des Jahres 2005, in seiner „Chesery“. Die Kreationen des gebürtigen Deutschen: einfach göttlich. Entsprechend der Preis, aber das versteht sich bei der Qualität von selbst. Auf größere Schwierigkeiten einen Tisch zu bekommen stößt man im „Bären“. Das hat damit zu tun, dass man die Geschichte des 250jährigen Gasthofs in wahrsten Sinne des Wortes knarzen hört. Die Stuben mit traditionellem Holzmobilar sind urgemütlich. Und damit, dass seine Spezialitäten, Fondue und Raclette vom Holzfeuer, nicht viel mehr kosten als die Pasta beim Italiener um die Ecke, dafür aber deutlich feiner.

Schwung im TiefschneeAber hier soll ja auch ums Skifahren gehen. Das gesamte Gebiet, was mit einem Skipass der Gstaad Mountain Rides bewältigt werden kann, umfasst 61 Bergbahnen und mehr als 250 Kilometer Pisten. Überwiegend zwischen 1200 und 2000 Metern gelegen gelten sie als schneesicher bis Anfang April.    Sie erstrecken sich über die Skigebiete von St.Stephan, Zweisimmen, Saanenmöser und Schönried sowie über Gstaad und Rougemont. Eine Tageskarte für das 3000 m hohe Gletschergebiet Les Diablerets kostet extra. Wer seine Kids mitbringt, profitiert von einem unschlagbaren Angebot: Kinder bis 9 Jahre fahren überall gratis. Der überwiegende Teil der Abfahrten ist rot in der Karte verzeichnet, steil genug für Könner, die gern weite Schwünge auf fein präparierten Pisten genießen.

Anspruchvollster Hang der Region ist der sogenannte Tiger Run oben beim Wasserngrat, gekrönt vom noblen Eagles Club. Seine Geschichte geht fünfzig Jahre zurück, als mehrere Dutzend Mitglieder der internationalen High Society Geld zusammen legten, um zum Lunch unter sich und ihresgleichen speisen zu können und am Wochenende Skirennen auszurichten. Wer es schafft Zugang zu bekommen, dürfte sich im Entree über einen einzigartigen Usus wundern. Auf Papierchen am Schwarzen Brett steht die Höhe des Trinkgelds vermerkt, welches das Personal  am Ende der Saison auf die Gesamtrechnung des jeweiligen Gönners aufschlagen darf.  Der Sessellift zum Eagles Club wurde 1945 als erste Aufstiegshilfe in der Schweiz  gebaut. Als er vor einigen Jahren kurz vor dem Konkurs stand, griff Hollywoodstar Roger Moore tief in die Tasche, um ihn wieder zu beleben.

Informationen: www.gstaad.ch

Fotos: Gstaad Saanenland Tourismus